Zeitpunkte
Wir halten inne und erinnern uns an besondere Menschen. Diese Menschen wurden von den Nazis in den Jahren ihrer Herrschaft ermordet.
Wolf Meier und seine Frau Amalie wurden gemeinsam mit ihrer Enkelin Gita nach Riga gebracht und dort ermordet.
für Wolf Meier Turteltaub
für Amalie Turteltaub
für Gita Scharf

Am 10. Dezember 2023 wurde dieser Zeitpunkt vor der Adresse Defreggerstraße 12 angebracht. Die Initiative dafür ging von erinnern:at aus.

Wolf Meier Turteltaub, genannt Max
geboren am 30. November 1867 in Bohorodczany, Ukraine
gestorben 1942 in Riga, Lettland

Amalie Turteltaub, geborene Wolfart
geboren am 8. Jänner 1871 in Stanislau, Ukraine
gestorben 1942 in Riga, Lettland

Margit Scharf, genannt Gita
geboren am 12. Februar 1932 in Wörgl, Tirol
gestorben 1942 in Riga, Lettland

Von Galizien nach Innsbruck

Wolf Meier Turteltaub und seine Frau Amalie Wolfart stammten aus dem österreichischen Teil Galiziens, heute Westukraine. Vor 1900 übersiedelten sie nach Wien. Nach 3 Jahren ging es für sie weiter nach Salzburg. Ende 1905 kamen sie schließlich nach Innsbruck. Dort kaufte Amalie im Jänner 1911 ein Haus. Für das Haus in der Defreggerstraße 12 im Arbeiterbezirk Pradl musste sie sich jedoch Geld leihen. Wolf Meier eröffnete dort das Warenkredithaus Fortuna. Das Paar hatte 5 Kinder. Das 6. Kind mit Namen Sofie starb mit nur 9 Monaten.

Tochter Anna heiratete zweimal. Aus der Ehe mit Leo Weinreb stammte Sohn Erich. Ihr zweiter Mann Salomon Scharf war der Vater von Leopold und Margit, genannt Gita. Anna erkrankte schwer und starb bereits 1934. Deshalb wuchsen die Kinder bei den Großeltern auf.

Zum Übersiedeln gezwungen

Die Machtübernahme der Nazis 1938 zerstörte das gesamte Leben der Großfamilie Turteltaub in kürzester Zeit.

Ihr Geschäft in Innsbruck wurde beschmiert, die Kunden blieben aus. Und dann kam am 10. November 1938 die Pogromnacht: Eine Schlägertruppe des Nazi-Kraftfahrerkorps verprügelte den 70-jährigen Wolf Meier Turteltaub schwer. Sie verhafteten ihn, seinen Sohn Fritz, Enkel Aldo und weitere Verwandte. Die Nazis wollten sie einschüchtern, damit sie Innsbruck endlich verließen. Familie Turteltaub blieb nichts anderes übrig.
„Schaut gut auf Innsbruck, wer weiß, ob ihr das noch einmal sehen werdet.“ Mit diesen Worten an ihre Enkel verließ Amalie Turteltaub mit ihrer Familie Innsbruck. Sie übersiedelten nach Wien in eine kleine 1-Zimmer-Wohnung mit Küche in der Rembrandtstraße 28.

Flucht, verlorene Spuren und Tod

In Wien liefen Wolf Meier Turteltaub und sein Enkel Erich jeden Tag von einem Konsulat zum anderen. Doch kein anderes Land wollte Menschen in diesem Alter noch aufnehmen. Im April 1939 brachte Wolf Meier Turteltaub seine Enkel Erich und Leopold auf einem Flüchtlingsschiff unter. Das Ziel: der Hafen von Haifa in Israel. Sein Sohn Fritz gelangte nach England. Die Großeltern und die 6-jährige Gita blieben in Wien zurück. Bis Kriegsbeginn schickte Amalie Turteltaub noch Briefe an ihren Enkel Erich. Sie berichtete ihm von Gita und ihrem Wunsch, die restliche Familie wiederzusehen. Doch dieser Wunsch blieb unerfüllt: Ab September 1941 musste die Familie den Judenstern tragen. Am 26. Jänner 1942 brachten die Nazis Amalie und ihren Mann gemeinsam mit der 10-jährigen Gita nach Riga. Amalie war zu diesem Zeitpunkt bereits 70 Jahre alt, Wolf Maier Turteltaub 74. In Riga verliert sich jede Spur. Niemand weiß, was mit ihnen passiert ist.

Einen Teil der Familie töteten die Nazis in ihren Konzentrationslagern. Sohn Edmund fand mit seiner Frau und den beiden Kindern 1944 in Auschwitz den Tod. Tochter Ella starb mit ihrem Mann vermutlich im Lager Sobibór und ihr Sohn in Auschwitz.