Zeitpunkte erinnern
an Menschen, die in den Jahren der NS‑Herrschaft ermordet wurden
Franziska Schwingshackl setzte sich über die drakonischen Gesetze der NS-Zeit hinweg und half Frauen bei riskanten Abtreibungen.
für
Franziska Schwings-
hackl

Am 27. Jänner 2024 wurde dieser Zeitpunkt vor der Adresse Universitätsstraße 21 angebracht. Die Initiative dafür ging von erinnern:at aus.

Franziska Schwingshackl, geb. Oberwurzer, verwitwete Mayr

geboren 26.1.1878 in Assling
gestorben 9.3.1944 in München-Stadelheim

Franziska Schwingshackl war bereits 1924 „wegen Abtreibung der Leibesfrucht“ zu zwei Monaten Kerker verurteilt worden, 1930 zu neun Monaten, weil die Schwangere beim Eingriff gestorben war. Ihr wurde vorgeworfen, nach der NS-Machtübernahme mehr als 20 Abtreibungen vorgenommen zu haben, „wofür sie sich gut bezahlen ließ. Eigennutz war also die Triebfeder ihrer Handlungen“, so die Berichterstattung der Innsbrucker Nachrichten. Damit habe sie gegen „das Interesse der Gemeinschaft und die Wahrung der Volkskraft“ verstoßen. Schwingshackl wurde daher wegen des Verstoßes gegen die „Verordnung zum Schutz der Ehe, Familie und Mutterschaft“ angeklagt. Im Deutschen Reich gäbe es wegen der Hilfestellungen in den Einrichtungen der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) keine Notwendigkeit mehr abzutreiben, berichtete die Zeitung:

„Der Schutz des werdenden Lebens und die Verhütung der mit Abtreibung immer verbundenen Gefahren für die Gesundheit der Mutter sind demgemäß nationalsozialistische Forderungen, die unerbittlich durchgesetzt werden müssen. Diesen Grundsätzen trug das Sondergericht Innsbruck, vor dem sich die Schwingshackl zu verantworten hatte, auch in vollem Maße Rechnung und verurteilte die Angeklagte als gefährliche Gewohnheitsverbrecherin zum Tode.“

Franziska Schwingshackl wurde am 9. März 1944 im Gefängnis von München-Stadelheim hingerichtet.

Allerdings musste sich das Sondergericht Innsbruck – in formaler Hinsicht – Kritik gefallen lassen. Dem Reichsjustizministerium fehlte eine „Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit“. Eine chronologische Aufzählung der Vorstrafen und der Hinweis auf das „gesunde Volksempfinden“ genüge nicht. Die Todesstrafe musste verhängt werden, wenn ein Schutz- oder Sühnebedürfnis vorlag und das Gericht hatte dies zu begründen. „Im Urteil Schwingshackl ist jene Gesetzesbestimmung nicht einmal erwähnt“, tadelte das Ministerium das Sondergericht Innsbruck.

Quellen:

Achrainer, Martin: Die Aufgabe der Justiz. Nationalsozialismus und Justiz in Österreich 1938 bis 1945 anhand der Akten des Oberlandesgerichts Innsbruck, politikwissenschaftliche Diplomarbeit, Innsbruck 2001, S. 140.

Innsbrucker Nachrichten, 21.1.1944, S. 3.

Namensliste der Opfer der NS-Diktatur in Osttirol für das Buch der Opfer am Mahnmal Lienz für die Opfer des Nationalsozialismus (wissenschaftlicher Leiter Martin Kofler)