Zeitpunkte erinnern
an Menschen, die in den Jahren der NS‑Herrschaft ermordet wurden
Ein polnisches Brüderpaar wurde als Anführer einer Widerstandsgruppe im KZ Dachau ermordet.
für Marian Kudera
für Stefan Kudera

Am 27. Jänner 2024 wurden
diese Zeitpunkte vor der Adresse Anichstraße 44 angebracht. Die Initiative dafür ging von erinnern:at aus.

Marian Kudera
geboren 5.8.1923 in Mysłowice/Myslowitz (Polen),
gestorben 19.7.1944 im KZ Dachau

Stefan Kudera
geboren 8.9.1916 in Žnin/Dietfurt (Polen)
gestorben 19.7.1944 im KZ Dachau

Die Brüder Stefan und Marian Kudera lebten seit Herbst 1941 in Innsbruck. Stefan setzte in der Tiroler Gauhauptstadt ab Oktober 1941 sein 1935 in Posen begonnenes Pharmaziestudium fort. Er bekannte sich an der Universität Posen „zum polnischen Volkstum“. Die Familie lebte in der Stadt Mysłowice in Schlesien, unweit von Katowice (Kattowitz), wo Stefan Kudera die Reifeprüfung am klassischen polnischen Gymnasium abgelegt hatte. Vater Bruno Kudera war Rechtsanwalt und starb kurz nach der Übersiedlung seiner beiden Söhne nach Tirol. Am 26. Juli 1943 bestand Stefan Kudera die pharmazeutische Diplomprüfung mit gutem Erfolg.

Sein um sieben Jahre jüngerer Bruder Marian wollte Medizin studieren, einen schriftlichen Nachweis dafür gibt es nicht. Womöglich half er im Krankenhaus in Innsbruck aus. Er galt den Nationalsozialisten als „Volksdeutscher“. Am 21. Februar 1944 verhaftete die Gestapo Marian Kudera. Sie verdächtigte ihn, Anführer einer angeblich 60 Personen umfassenden polnischen Widerstandsgruppe zu sein. Sein Bruder Stefan soll ihr auch angehört haben. Die Gestapo nahm zudem die Mutter und die Schwester der beiden fest und konfrontierte die Familie bei Verhören. Die „verschärften Vernehmungen“ waren nichts anderes als systematische Folter. Nach derartigen Verhören war Marian Kudera nicht mehr gehfähig, sein ganzer Körper blutunterlaufen. Die Tortur endete erst, als er ein Geständnis ablegte. Auch Stefan Kudera war zahlreichen Misshandlungen ausgesetzt.

Gestapochef Max Nedwed beantragte in Berlin „nach Feststellung des Tatbestandes Sonderbehandlung“. Dies bedeutete die Überstellung der Brüder Kudera am 28. April 1944 ins Konzentrationslager Dachau. Dort wurden beide am 19. Juli 1944 gehängt.

Quellen:

Hormayr, Gisela: Verfolgung, Entrechtung, Tod. Studierende der Universität Innsbruck als Opfer des Nationalsozialismus, Innsbruck-Wien-Bozen 2019, S. 75-79.

Oberkofler, Gerhard: Das Martyrium eines polnischen Widerstandskämpfers in Tirol, in: Weg und Ziel, 37. Jg., Nr. 1, 1980, S. 32-33.

Widerstand und Verfolgung in Tirol 1934-1945. Eine Dokumentation, Band 1, hg. v. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien-München, S. 399-402.